
HOLLERN-TWIELENFLETH. Leichtathletin Amelie Schulz ist vielseitig talentiert.
Als Leichtathletin des VfL Stade sammelt sie in der bisherigen Saison Titel und stellt Bestleistungen auf, zwischen diesen Wettkämpfen wird sie mal eben Regionsmeisterin im Tennis für den TC
Wiepenkathen. Die 13-jährige Amelie Schulz ist in ihrer Altersklasse eine Ausnahmesportlerin. Als Gymnasiastin des Athenaeums hat sie nun eine Klasse übersprungen. Geige spielt sie auch noch.
Hört sich nach kleinem Wunderkind an. Das hört Amelie Schulz aber gar nicht gern. Mit den eigenen Erfolgen geht sie bescheiden um, die Aufmerksamkeit ist ihr eher unangenehm. Sie macht, was ihr
Spaß macht.
Mama Sabine Schulz hat Sportwissenschaften studiert und spielte hochklassig Volleyball beim Hamburger SV und TuS Jork. Für sie war es selbstverständlich, dass sie die Entwicklung ihrer Töchter,
Amelie und Lina (15), mit Leichtathletik und Turnen fördert. Amelie betreibt Leichtathletik beim VfL Stade, seit sie vier Jahre alt war. „Es war klar, dass sie damit erstmal anfangen. Und Amelie
hatte sofort Lust und ist dabei geblieben“, sagt Sabine Schulz. Tochter Lina reitet mittlerweile lieber und spielt Tennis. Amelie turnt auch noch immer. „Aber just for fun“, wie sie sagt, an
Wettkämpfen nimmt sie schon lange nicht mehr teil.
Entspannt im Strandkorb, mit schüchternem Lächeln: Amelie Schulz kennt keinen
Freizeitstress , sie macht nur, was ihr Spaß macht. Das Interesse an
ihrem Da
konzentriert sie sich auf die Leichtathletik. Seit
derzeitigen Erfolg ist ihr leicht
unangenehm.
drei Jahren trainiert Amelie leistungsorientiert und
war bei Wettkämpfen „eigentlich immer schon vorne dabei“. Ihr Talent ist die Beschleunigung. Etwas, was nicht trainierbar sei, sagt Sabine Schulz. „Alles, was länger dauert, ist schwierig“, sagt
Amelie und lächelt. Schon bei einem 800-Meter-Lauf winkt sie ab. Puh. Hochsprung mag sie auch nicht, dafür Weitsprung. Und Speerwurf ist „cool“. Amelie sagt, sie glaube, Hürdenlauf am besten zu
können. Hat davor aber gleichzeitig am meisten Respekt. „Da bin ich richtig aufgeregt und bekomme einen Adrenalinschub“, erzählt sie. So stellte sie gerade über 60 m Hürden mit 9,49 sec einen
neuen Bezirksrekord auf und nimmt damit Platz zwei der deutschen Bestenliste ein (das TAGEBLATT berichtete). Niedersächsische Bestzeit stellte sie über 75 m ein, holte noch den Titel im
Kugelstoßen und Silber im Weitsprung. Überlegene Bezirksmeisterin wurde Amelie auch im Block Sprint/Sprung. Da schaffte sie 5,02 Meter beim Weitsprung: Platz drei in der deutschen Bestenliste, in
Niedersachsen top.
Willi Wieboldt, Leichtathletik-Trainer des VfL Stade, sähe Amelie gern noch trainingsfleißiger, mit mehr Fokus auf Leichtathletik. „Aber vom Sieben-Kampf ist sie noch nicht so überzeugt“, sagt er
und lacht. Mit den derzeitigen Leistungen sieht er Amelie aber weit vorne, auch wenn sie Disziplinen dabei hätte, die sie nicht so mag. Landesmeisterschaften beginnen offiziell erst für
14-Jährige, trotzdem könnte Amelie schon gemeldet werden. Bei den Einzelwettkämpfen Mitte Juli sähe Wieboldt seine Athletin mit guten Chancen, wenn sie denn wolle. Gerade im technisch
anspruchsvollen Hürdenlauf sei Amelie ihrer Konkurrenz voraus. Grundsätzlich möchte Wieboldt seine Athleten durch Erfolgserlebnisse pushen und fördern, Amelie solle selbst entscheiden, ob sie
schon an Landesmeisterschaften teilnimmt. „Leistungsmäßig würde ich in der Leichtathletik wohl am weitesten kommen“, sagt Amelie, schmunzelt und isst genüsslich ihren Erdbeerkuchen.
Tennis spielt sie aber auch gern. Vor sechs Jahren begann Sabine Schulz mit ihren Töchtern zu spielen. Die sportliche Mama sieht sich mit ihrer 13-jährigen Tochter, die gerade U14-Meisterin der
Region Süderelbe wurde, auf Augenhöhe. Da lächelt Amelie und fragt sie neckisch: „Meinst du?“. „Oder nicht?“, fragt Mama Sabine amüsiert und sagt: „Na gut, einigen wir uns auf die bessere
Tagesform.“ So wie Amelie bei der Leichtathletik auf ihre Dynamik und Beschleunigung setzt und die „längeren Sachen“ nicht mag, so setzt sie beim Tennis auch voll auf Angriff. Wenn sie mit ihren
harten und genauen Schlägen nicht schnellstmöglich zum Erfolg kommt, wird sie ungeduldig. Der Punkt muss schnell her. „Sonst wird mein Spiel immer doller und dann kommen die Fehler“, erzählt sie
lächelnd. Sie hat nun ein Leistungsniveau erreicht, das ein variableres Spiel voraussetzt, um den nächsten Entwicklungsschritt zu machen. Aber bitte ohne Druck, mit Spaß.
So wie bei allem, ob beim Kajakfahren, wie gerade am Wochenende auf der Schlei, oder Wakeboarden oder Skifahren in den Osterferien.
„Zum Glück sind bald Ferien“, sagt Amelie. In den Sommerferien hat sie einiges vor. Alpen, Cuxhaven, Ostsee. Während dieses Schuljahres ist sie aus der achten in die neunte Klasse hoch gegangen.
Die Lehrer raten Familie Schulz schon seit der Grundschule dazu. „Aber Amelie sollte Kindsein“, sagt Sabine Schulz, ihrer Tochter selbst sei es nie wirklich aufgefallen, dass sie unterfordert
war. Nun hätten die Lehrer die Schulz überzeugt, dass das Klasseüberspringen „der richtige Schritt“ sei. Und das habe sich, obwohl Amelie noch in der Probezeit ist, auch schon bestätigt, meint
Sabine Schulz. „Mir fällt es einfach leicht“, sagt Amelie und lächelt verlegen. Wenn sie im Unterricht aufpasse und alles begreife, müsse sie vor Arbeiten wenig tun. Sport und Erdkunde sind ihre
Lieblingsfächer. Geschichte, Biologie und Religion findet sie „nicht so spannend“.
Die Grundschullehrerin war übrigens schuld, dass Amelie Geige spielt. Sie hatte den Eltern gesagt, dass Amelie auch musikalisch sei und es sinnvoll wäre, wenn sie ein Instrument spiele. Was für
ein Instrument, fragte Sabine Schulz. Die Lehrerin sagte „Geige“, wegen Amelies „Körperspannung“. „Das war so überzeugend“, sagt Sabine Schulz, also sollte ihre Tochter es ausprobieren. Sie
spielt noch immer. Hauptsächlich wohl, weil sie sich so gut mit der Lehrerin versteht. Die beiden schnacken gern. Die halbe Stunde Unterricht ist meistens zu kurz für beides, für schnacken und
üben. Sonntags ist Amelies freier Tag, da ist eigentlich Geige üben vorgesehen, ein bisschen, aber das klappe nicht so gut. „Die schönen Stücke sind schwierig, das klingt immer gleich schief“,
sagt Amelie. Sie muss ja nicht alles können. Hauptsache sie hat ihren Spaß.
(Quelle: Stader Tageblatt, 25.06.2015)